Das Frühlingsfest der Indie-Musik: Der Popsalon

AUGN beim Popsalon 2024.
AUGN in der Kleinen Freiheit (Foto: Nina Kipry).

Zum Glück dürfen wir die Stadtgrenze Osnabrücks schnell wieder verlassen und uns auf den Weg zu AUGN in die Kleine Freiheit machen. Die TAZ beschrieb die Band im letzten Jahr einmal als „angeblich gehypte Post-Punk-Band” und versprach vom Liveauftritt Gepöbel, automatisierte Ansagen und „zeitgeistige Punchlines”. Während ich mir also immer noch Gedanken mache, wie etwas „angeblich gehypt” sein kann, trifft der Rest durchaus zu. Gesichter mit Strumpfhosen verdeckt, dauerhafte Nebelschwaden, die den Blick auf die Bühne beinahe unmöglich machen, sowie provokante Microsoft-Sam-Ansagen vor und abrupt eingespielter Applaus nach den Songs. Diese werden hingegen live gespielt, wussten absolut zu überzeugen und die Lyrics trefen den Zahn der Zeit – das macht auf jeden Fall Spaß. Als einziges Manko kann man das konsequente Reden im Publikum sehen, was jedoch nicht ausbleibt, wenn man durch die automatisierten Einspieler wenig Interaktion mit dem Publikum zulässt. Ein Vorwurf, den sich die nachfolgenden DITZ nicht gefallen lassen müssen. Frontperson Cal Francis zeigt Nähe zum Publikum, spricht mit diesem und bewegt sich immer wieder vor der Bühne. Währenddessen ist es laut, Schweiß tropft von der Decke und auch als Ditz-Neuling fällt es schwer, sich nicht zu verlieben. Eine weitere tolle britische Post-Punk-Band, wie sie in den letzten Jahren vielerorts aus dem Boden gesprossen sind. DITZ spielen dabei mit Klischees lauter, männlich konnotierter Musik und konterkarieren diese mit Francis’ androgyn anmutendem Auftreten. Selbstverständlich steht die Musik im Vordergrund, dennoch sind DITZ damit eine schöne Abwechslung in einem eher heteronormativ geprägten Genre. Eine wunderbare Neuentdeckung und eins der Festival-Highlights als Abschluss des ersten offiziellen Popsalon-Tages! 

DITZ beim Popsalon 2024.
DITZ in der Kleinen Freiheit (Foto: Nina Kipry).

Am Freitag starten wir mit nothhingsspecial im Haus der Jugend. In der Location spielen auf dem Popsalon immer wieder aufstrebende Singer-Songwriterinnen. Das Festival scheint dabei eine nahezu perfekte Trefferquote an den Tag zu legen, was etwa die Konzerte von Philine Sonny in London oder Amsterdam unterstreichen. Deshalb ist nothhingspecial ein absoluter No-Brainer – und es lohnt sich. Eingängige Melodien, hier tanzbar, da eher ruhig in Verbindung mit ihrem sympathischen Auftreten und hin und wieder überraschend ausufernden Indie-Klängen, wissen absolut zu überzeugen. Da kann auch ein Sturz bei einem Ausflug vor die Bühne nichts ändern – im Gegenteil, eher wirkt ihre Reaktion ungemein authentisch. 

nothhingspecial beim Popsalon 2024.
nothhingspecial im Haus der Jugend (Foto: Nina Kipry).

Auch das nachfolgende Programm zeigt ein gewisses Muster auf, denn mit Lawn Chair und Courting bietet das Festival erneut internationalen Indie(-Punk)-Bands im Bastard Club eine Bühne. Wie wir es schon in unserem Vorbericht ankündigen, sollte der Abend zwei klasse Auftritte bereithalten, ohne dabei vorhersehbar zu sein. Insbesondere Lawn Chair sorgen dafür, dass der volle Bastard Club zu einer Sauna wird. Zwar lassen einige Stücke auf Platte schon eine laute, punkige Richtung vermuten, dennoch überraschen die Deutsch-Amerikaner mit lauten, rauen und ausufernden Gitarren. Courting hingegen spielen ein eher eingängiges Indie-Set mit einigen Hits. Das Ganze wirkt etwas souveräner und routinierter als bei Lawn Chair, ohne dabei schlechter zu sein. Dennoch liegt es in der Natur der Sache, dass der vorherige, wildere Auftritt die Liverpooler etwas in den Schatten stellt. Trotzdem ist der Abend wie erwartet eine runde Sache.

Courting beim Popsalon 2024.
Courting im Bastard Club (Foto: Nina Kipry).

Das sehen am Freitag jedoch nicht alle so: In den Sozialen Netzwerken finden sich einige Kommentare mit Beschwerden, dass sie ihr Highlight aufgrund eines Einlassstops nicht sehen können. Das ist natürlich ärgerlich, aber auch ein klassisches Problem eines Indoor-Festivals. Man muss sich darauf einstellen, nicht alles sehen zu können und hin und wieder nicht in die Locations zu kommen. Gerade an einem Tag, der etliche Deutsch-Pop-Newcomer anbietet und damit ausverkauft ist – eine Situation, die es beim Popsalon noch nicht oft gab. Vielen Besucher*innen scheint es dabei schwer zu fallen, die Organisation eines solchen Festivals auch nur annähernd nachzuvollziehen. Verträge mit Künstler*innen, auch bezüglich Spielzeiten und möglichen Locations, werden häufig weit im Voraus abgeschlossen, hinzu kommt die praktische Organisation am Festivaltag. Hier lohnt es sich, ein wenig nachsichtiger zu sein – oder einmal das Reeperbahn Festival zu besuchen, das trotz weitaus größerer Möglichkeiten und Erfahrungen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat.