Auf keiner längeren Wanderung darf dieser Spruch fehlen: Der Weg, so heißt es, sei das Ziel. Während der Schulzeit noch eher als Durchhalteparole aufgenommen, kommt man mit zunehmendem Alter dann doch zur Einsicht, dass dieser Aussage durchaus ein wahrer Kern innewohnt. Denn oftmals gelangt man erst während des Weges in einen inneren Zustand der Ruhe, der den Genuss des Ziels überhaupt erst ermöglicht. Doch wie passt dies zu einem herkömmlichen Festival, dessen An- und Abreise eher als lästige Pflicht wahrgenommen wird, mit stets viel zu viel Gepäck, verpassten Zügen und endlosen Staus?
Dass es auch anders geht, das zeigt das Skandaløs Festival, das vom 1. bis 3. August 2019 zum mittlerweile fünften Mal stattfand. Die Anreise ist nämlich weit weniger beschwerlich, sie wirkt nahezu erdend und somit fast wie ein Intro für die anstehenden Tage.
To the north!
Dabei ist der Weg nicht ohne: Er führt die rund 4200 Besucherinnen und Besucher in den äußersten Norden der Bundesrepublik ins nordfriesische Neukirchen, in unmittelbare Sichtweite zur dänischen Grenze. Dorthin, wo sich Fuchs und Hase, oder in diesem Fall eher Möwe und Schaf gute Nacht sagen. Ausgehend vom oftmals eher unruhigen Hamburg bahnte sich der Zug seinen Weg entlang der Westküste gen Norden. Spätestens bei der Überfahrt über die Eider bei Friedrichstadt, von links und rechts begrüßt von auf Deichen grasenden Schafen, setzte sich ein heimeliges Urlaubsgefühl ein, das zum steten Begleiter auf dem weiteren Weg durch die Marschen und Köge werden wird.
Nur wenige Kilometer sind es noch bis Westerland, doch endete der Weg einen Bahnhof vor der Überfahrt auf das touristische Sylt. Genauer gesagt in Klanxbüll, dort, wo Nordfriesland noch Nordfriesland sein darf. Mit einem eigens eingerichteten Shuttle ging es die letzten fünf Kilometer über die wie Linien durch die Wiedingharde gezogenen Straßen in Richtung Hülltofter Tief. Und dann ist man endlich angekommen. Am Horizont, in einiger Distanz von der Straße, wies das emporragende Zelt der Anderswø-Bühne den Weg, eingebettet in ein Ensemble aus Getreide, Marschland und eingerahmt von vereinzelten Reetdachhäusern. Spätestens nun dürfte auch der letzte Besucher und die letzte Besucherin festgestellt haben, dass dieses Umfeld etwas in einem auslöst.
Doch war nicht allzu viel Zeit für eine ausgeprägte Urlaubsstimmung. Schnell musste das Zelt auf dem äußerst geräumigen Zeltplatz aufgebaut werden, damit man sich ausführlich mit dem Programm der nächsten drei Tage beschäftigen kann. Die Übersicht zu behalten war dabei gar nicht so einfach.
Seit der ersten Ausgabe des Festivals im Jahr 2011, damals noch mit einer Bühne, ein paar Bierpilzen und einem eher sporadischen Zelt für bildlich-darstellende Kunst, hat sich das Festival zu einer vielfältigen Festivalutopie gemausert. Möglich wird dies durch den Einsatz zahlreicher, zumeist ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer, die sich unter dem Dach des gemeinnützigen Kulturflut e. V. die meiste Zeit des Jahres mit der Planung und gerade in den Sommermonaten auch mit dem Auf- und Abbau des Geländes beschäftigen.