Auch in diesem Jahr zeigte sich das Booking äußerst stilsicher, und es wird spannend zu sehen sein, welche der Künstlerinnen und Künstler einen ähnlichen Weg wie ihr Vorgängerinnen und Vorgänger gehen werden. Dabei stellt sich die Frage weniger für die Headliner, die gewiss kein Geheimtipp mehr sind. Die Kieler Jungs der Leoniden gehören nämlich schon etwas länger zu den aufstrebenden nationalen Bands, was sie auch im hohen Norden gleich am ersten Abend noch einmal unterstrichen.
Einen stilistischen Kontrast zum modernen Indierock präsentierte am Folgeabend das Moka Efti Orchestra mit Severija, das seine aus der TV-Serie Babylon Berlin bekannten und mittlerweile weithin gefeierten Songs zum Besten gab. Doch auch neben den Headlinern war einiges geboten. So erfreuten wir uns am erneuten Gastspiel der zu kleinen Forumslieblingen gewordenen Berliner von Hope oder auch den Szenelieblingen von International Music.
Freunde der elektronischen Musik kamen indes mit einem Gastspiel des argentinischen Multi-Instrumentalisten Uji oder dem 80er-Jahre angehauchten Elektro von Brigade auf ihre Kosten, während Sea Moya und Die Wilde Jagd zu später Stunde komplexe Soundteppiche in bester Krautrock-Manier webten. Ein breit aufgestelltes Lineup also, dass sich in allen Genre-Ecken bediente und extrem viel zu entdecken bot. Dabei gab es mit Alli Neumann auch in diesem Jahr wieder eine Künstlerin aus der Region.
Man würde dem Festival und der Kreativität der Beteiligten jedoch Unrecht tun, käme man nur auf das musikalische Programm zu sprechen. Leicht konnte man den Tag auf dem Gelände verbringen, ohne auch nur eine Band zu sehen. Im kleinen Horst Blau-Kino gab es etwa Filme wie die vieldiskutierte Dokumentation Hamburger Gitter zu sehen, das befreunde Kollektiv Ruplundby sendete vom festivaleigenen Radiosender, im Zelt des Bremer Anderswo-Kollektivs konnte Charleston gelernt werden und im zentralen Geländebereich präsentierte das Festival selbst einen Rückblick auf die eigene Vergangenheit, und lud mit zahlreichen Impressionen zum gemeinsamen Schwelgen und Stöbern in früheren Lineups ein.
Es darf geredet werden
Das gesellschaftspolitische Herz des Skandaløs ist das etwas vom restlichen Gelände abgetrennte Kluntjes, ein diskursiver und informativer Raum, der während der letzten Ausgabe im Jahr 2017 sein Debüt feierte. Auf gleich drei kleinen Bühnen gab es Workshops und Diskussionen zu Fragen der nachhaltigen Ernährung, zum Umgang mit der Identitären Bewegung oder auch über Chancen und Probleme von Kulturschaffenden auf dem Land – ein Problem, welches das Festival angesichts der infrastrukturellen, administrativen und leider auch nachbarschaftlichen Hürden seit jeher im ganz besonderen Maße bewegt. Als kleines Bonbon stellte sich auch Hannes Wittmer, besser bekannt unter seinem früheren Künstlernamen Spaceman Spiff, den Fragen von Moderation und Publikum.
Ein solches Vorhaben steht natürlich stets vor dem Dilemma eines Diskurses unter Gleichgesinnten, weshalb ein Zuhörer auch während des Panels zur nachhaltigen Ernährung etwas ratlos fragte, was denn eigentlich Ziel dieser Veranstaltung sei – immerhin seien sich doch alle mehr oder weniger einig.
Doch sorgten Veranstalterinnen und Veranstalter schon im Vorfeld dafür, dass die Debatten nicht nur unter den Besucherinnen und Besuchern selbst geführt, sondern sowohl Panels als auch Workshops von eingeladenen Vertreterinnen und Vertretern aus Verwaltung, Kommunal- und Landespolitik, Bürgerinitiativen, dem Musikbusiness oder der Wissenschaft bereichert wurden. Dies befruchtete nicht nur die Debatten, sondern verdeutlicht zugleich, dass das Festival auch über den eigenen Kosmos als Veranstaltung nicht nur wahr-, sondern auch ernst genommen wird.