Best Kept Secret. Das bedeutet: Campen am Fuße von Linde, Eiche und Co., entspannen, auskatern am See und vor allem: zahlreiche Indie-Darlings auf insgesamt sieben Bühnen.
Das Campinggelände erinnert eher an einen entspannten Campingplatz in Schweden, als an das staubig-anarchistische Areal einiger deutscher Majorfestivals. Und auch das Festivalgelände weiß zu überzeugen: Man nehme eine Mischung aus der Detailverliebtheit des Appletree Garden und des Haldern Pop und multipliziere die Größe mal vier. Das Best Kept Secret erfüllt die Rahmenbedingungen im vollsten Umfang (einzig über die Essens- und Getränkepreise müssen wir nochmal reden, hui!).
Doch die Rahmenbedingungen sind nur das eine. Seit Jahren überzeugt das Festival uns und viele andere auch mit Blick auf das Line-Up. So haben unter anderem Radiohead, The National oder Arcade Fire in den vergangenen Jahren Halt an diesem schönen Fleckchen Erde gemacht. Und auch 2019 waren die Plakate mit einigen exklusiven Perlen bestückt: Allen voran durch die Kraftwerk 3D Show.
Best Kept Secret mit kleiner Enttäuschung und tollem Headliner
Doch von vorne:
Los geht es für unsere Reisegruppe bereits am Freitagnachmittag. Julien Baker verspricht gleich zu Beginn des Festivals eine emotionsgeladene und intensive Singer-Songwriter Show zu liefern. Würde all der Herzschmerz ihrer zwei Alben „Sprained Ankle“ (2016) und „Turn out the Lights“ (2017) in die intime Atmosphäre des Zeltes transportiert werden, wäre mit Sicherheit die eine oder andere Träne bei vielen Mittzwanzigern über das Gesicht gelaufen.
So weit die Vorstellung – soll aber nicht sein, denn leider kommt von dem Auftritt wenig beim Publikum an. Der Sound ist nicht optimal abgemischt, das Gequassel der Leute, die nicht für Julien Baker vor der Bühne sind, übertönt einen großen Teil des Konzertes. Wirklich schade und ärgerlich, doch es soll die einzige richtige Enttäuschung des Festivals werden.
Weiter geht es Abends mit dem ersten Headliner: Bon Iver. Als die ersten Töne von Perth über das Gelände schallen, hat Justin Vernon direkt alle Leute in seinem Bann gezogen. I’m Hearing up, across your face. Move tust through the light. To find your name. Gänsehaut breitet sich aus, Bon Iver hat es geschafft sich in die Champions League des Indie-Folk zu spielen. Ein kreativer Kopf, der auch vor experimentellen Ausflügen wie auf seinem letzten Album „33, God“ nicht zurückschreckt.
Das Set ist bespickt mit Songs aller drei Werke und auch der 2009 veröffentlichten EP Blood Bank. Zwei Tage nach dem Festival stellt man fest, dass er die beiden kurz darauf veröffentlichen Singles „Hey, Ma“ und „U (Man Like)“ nicht spielt. Wäre auch zu schön gewesen, denn sie bilden atmosphärisch eine Schnittstelle zwischen dem selbstbetitelten, zweiten Album „Bon Iver“ und „33, God“.
Verträumt geht es nach dem Konzert rüber zur fünften Bühne: Einem kleinen, verschwitzten Hangar. Verschwitzt ist ein gutes Stichwort, denn das ist die Show von Shame definitiv. Fünf verrückte Briten, die den Anschein machen, gerade die besten Jahre ihres Lebens zu haben. In einem Indiepunk Power-Set bringt der charismatische Charlie Steen die Songs ans Publikum. Halbnackt, mit vollem Körpereinsatz und direkt “in die Fresse“.
Die Hymne „One Rizla“ lässt den kompletten Hangar tanzen und mitgröhlen. Die Stücke ihres Debüts „Songs of Praise“ aus dem vergangenen Jahr sind live genauso druckvoll, wie auf Platte. Steen drückt seine Freude mit folgenden Worten aus: „One of the best shows we’ve ever played“. Vielleicht liegt es an dem Slot um 1 Uhr nachts, der den Alkoholspiegel bei den Zuschauern bereits in die Höhe schießen lässt, oder an der sehr passenden Location. Vielleicht auch einfach nur an der Energie, die Shame auf die Bühne bringen. Wie auch immer: Bei dem Auftritt passt einfach vieles zusammen. Ein toller Tagesabschluss.
Der Godfather of Slackerattitude – Mac deMarco beim Best Kept Secret
Am nächsten Tag finden wir uns am frühen Abend im großen Zelt wieder. Dort, wo die Akustik am Tag zuvor enttäuscht hatte. Mit uns dabei: Death Grips. Eine Mischung aus Industrial, Punk und Noise, kombiniert mit den teils hysterischen Rap-Parts von MC Ride. Es ist laut, hart an der Grenze zum Krach und lässt einen zumindest leicht verwundert zurück. „I’ve Seen Footage“, „Get Got“ und „Guillotine“ – all die Hits sind am Start. Man muss sich darauf einlassen und diese Art von Performance mögen.
Früh genug geht es wieder raus, um den Godfather of Slackerattitude zu sehen: Mac DeMarco. Wobei er mit Sicherheit nicht mal wüsste, was damit gemeint ist. Wie immer locker & lässig gibt sich Mac mit seiner Gang, scherzt herum, macht Handstände auf der Bühne und lässt die Show mindestens genauso wichtig sein, wie die Songs an sich. Und mal ehrlich: Nach seinem zweiten Album „Another One” aus 2015 kam keines der Werke musikalisch an die Vorgänger heran. Trotzdem überzeugen Songs wie „Choo Choo“ von seiner neuesten Platte „Here Comes The Cowboy“ live, da die Band die Songs mit frischen, gitarrenlastigen Soli und einer guten Prise Humor ausufern lässt. Außerdem liefern die Songs Rhythmen, die zumindest für Kopfnicken bei den Zuschauern sorgen. Mac DeMarco – ihn muss man als Gesamtpaket sehen.
Während des Konzertes fällt bereits auf, wie die vielen freiwilligen Helfer des Best Kept Secret 3D Brillen verteilten. Na klar, Kraftwerk steht auf dem Plan. Ein Act, den man auf Festivals in Deutschland nicht allzu häufig antrifft. „Das Model“, „Tour De France“ und „Autobahn“, diese und viel mehr Klassiker gepaart mit den Visuals, die einem entgegen fliegen: Eine coole Erfahrung, nicht nur für eingefleischte Fans, doch das absolute Highlight des Wochenendes ist der Auftritt nun nicht. Und trotzdem: Großes Lob an das Festival für solche Buchungen. Genau wie die Buchung von Carly Rae Japsen. Später mehr.
Big Thief sind ein Highlight des Best Kept Secret – Carly Rae Jepsen sowieso
Vorher geht es am Sonntag zu Big Thief, eine Indie-Pop/Folk Band aus New York City. Ihr neuestes Werk U.F.O.F überzeugt mit Songs, die sich nach und nach entfalten. Es braucht Zeit und ein paar Durchgänge, um die gesamte majestätisch-verträumte Atmosphäre aufsaugen zu können. Allen voran der Titelsong offenbart wunderschöne Momente, die durch versteckte Melodie-Spannungen in die Länge gezogen werden.
Man hat das Gefühl, die Band ist zwei Alben nach ihrem Debut „Masterpiece“ nicht nur in den Herzen der Fans, sondern auch in den Herzen der Musikkritiker angekommen. Tolle Platte und ebenso schöner Auftritt. Big Thief liefern Momente zum Dahinschmelzen, um dann von der einen auf die andere Sekunde durch harte Gitarrenriffs aus der Trance auszubrechen. Ein Paradebeispiel dafür kann in dem Opener des neuen Werks „Contact“ gesehen werden. Zunächst wird die sphärische Stimmung der gesamten Platte vorgegeben, um dann durch einen Schrei der Sängerin Adrianne Lenker geweckt zu werden und sich in einem leicht aggressiven Gitarrenriff wiederzufinden, der sich direkt in den Köpfen der Zuschauer verankert. Der Auftritt liefert ein Wechselbad der Gefühle, definitiv ein Highlight des Wochenendes.
Nach einer kurzen Pause folgt das Konzert von Kurt Vile in der Abendsonne bei noch weit über 25 Grad. Die atmosphärischen Melodien gepaart mit der lullenden Stimme des Amerikaners und den immer wieder ausschweifenden Soli fügen sich ins Gesamtbild des Momentes. Dann folgt es, unser persönliches Highlight der drei Tage. Zeltbühne, 19:45 Uhr. Jack White und Brendan Benson betreten die Stage, die Menge tobt. Denn die Riffs von “Consoler of the Lonely“ hallen durch die holländische Landschaft.
The Raconteurs sind nach elf Jahren zurück, eine unglaubliche Euphorie macht sich breit. Die wenigen neuen Songs von ihrem bald erscheinenden Album überzeugen, die alten Sachen sowieso. Nach dem Opener folgen „Level“ und „Old Enough“, den Abschluss bilden „Broken Boy Soldier“ und na klar, „Steady, as she goes“. Die Band scheint zu wissen, dass viele Indiekids aus den legendären 00er Jahren anwesend sind. Die Mischung aus Garage-, Country-, Blues-, und Indierock zündet und hinterlässt in fast jedem Gesicht ein breites Grinsen. Es ist vielleicht die einzige Show des streng durchgetakteten Festivals, die ein paar Minuten überzieht. Einen Jack White unterbricht man eben nicht mitten im Gitarrensolo.
Dann geht es raus. Schließlich wollen wir uns noch eine Portion Pop abholen. Carly Rae Jepsen bringt ihre Hits auf der Hauptbühne zum Besten. Tausende Musikbegeisterte tanzen ausgelassen zu „Call Me Maybe“, „I Really Like You“ und Co. Natürlich mit einem Augenzwinkern, mag der ein oder andere denken. Aber ganz ehrlich: Der Auftritt ist eine klasse Abwechslung und bringt Frische ins Line-Up. Ähnlich wie das Primavera Sound (das zudem mit Miley Cyrus überzeugt), bringt das BKS ein Popsternchen ins Line-Up und zieht im Trend mit, vermehrt weibliche Künstlerinnen zu buchen (+Lizzo,…). Klasse! Danach geht es ein letztes Mal ins Zelt, wo Interpol wie immer überzeugen, aber auch nicht mehr für Überraschungsmomente sorgen.
Und das war es dann: Das Best Kept Secret Festival 2019. Blickt man auf die Buchungen der vergangenen Jahre und nimmt das tolle Gelände dazu, dann mag der ein oder andere Musikbegeisterte sein neues Lieblingsfestival entdecken. Dank je wel, BKS!
Von Nils Heidemann