Flackernde Lichter, dicke Luft, Publikum und Band von Rauch umhüllt – es ist richtig, richtig warm. Auf der Bühne erscheint Matt Pike, spielt die ersten Takte des kolossalen Sons of Thunder und versetzt die wartende Menge damit auf einen Schlag in Ekstase. Noch haben sie nicht genug bekommen vom donnernden Schlagzeug, frickeligen Soli und groovigen Basslines – das Publikum des Desertfest Berlin 2018 verwandelt die Arena in ein Tollhaus.
Pike und seine Band High on Fire sind eines der großen Highlights bei der diesjährigen Ausgabe des Desertfests. Bis zu 4.000 Besucher konnten die Veranstalter in diesem Jahr in die Hauptstadt locken. Ein neuer Rekord für das Berliner Festival, das Ableger in London und Antwerpen hat, und sich der vollen Bandbreite von Genres wie Stoner, Doom, Psychedelic und Sludge verschrieben hat.
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Veranstaltungen dieser Art haben in den vergangenen Jahren ohnehin einen extremen Beliebtheitsschub erfahren – ob Freak Valley in Netphen-Deuz, Stoned From The Underground in Erfurt oder Krach am Bach in Beelen. Das Desertfest hat jedoch seinen ganz besonderen Reiz, denn es verbindet die Musik mit dem urbanen Berlin und dessen diverser Bevölkerung. Bereits seit 2012 versammeln sich Jahr für Jahr Metal-Fans, Alt-Rocker, Hippies und Hipster, um drei Tage bei Bier, nahezu garantierten Sonnenschein und ab und an ein wenig Sweet Smoke der Musik zu frönen.
Das neue Umfeld im Stadtteil Alt-Treptow bietet nun eine interessante Mischung aus industriellem Umfeld der heute unter Denkmalschutz gestellten ehemaligen Halle der Allgemeinen Berliner Omnibus AG und Spree. Es passt perfekt zum Retro-Vibe vieler der geladenen Bands.
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Zuvor fand das Desertfest Berlin im Astra an der Warschauer Brücke statt. Auch das RAW-Gelände mit den vielen Gleisen bot perfektes Ambiente. Nachdem sich das Festival etabliert hatte, dürfte der Club letztlich wohl einfach zu klein geworden sein. Ausverkauft war das Desertfest in den vergangenen Jahren eigentlich immer. Bei den Stoner-Urvätern Sleep im Vorjahr drohte der Hauptraum aus allen Nähten zu platzen. Das dürfte in der Arena auf Jahre hinweg nicht passieren, sofern nicht gerade Black Sabbath dort irgendwann noch einmal auftreten sollten.
Der Sound? Stellenweise problematisch
Aber so schön wie sie ist, bietet die Arena einen entscheidenden Nachteil: den Sound. Insbesondere am ersten Festivaltag ist dieser auf der Hauptbühne kaum auszuhalten: Zu leise, zu blechern, zu wenig ausgesteuert, was gerade Genre-Legenden wie Monster Magnet überhaupt nicht gerecht wird. Immerhin kann der Veranstalter an den Folgetagen etwas Abhilfe schaffen. Die Virtuosität der HeavyPsych-Band Elder oder die rotzigen Ausbrüche von EyeHateGod-Sänger Mike Williams gehen glücklicherweise nicht im Sound-Brei unter.
Besser läuft es auf der kleinen Bühne, der SideStage, die beim Desertfest abwechselnd mit der MainStage bespielt wird, weshalb es zu keinerlei Überschneidungen kommt. Die Stoner-Doom-Legenden Weedeater sorgen hier für den vielleicht besten Auftritt des Festivals. Mit einfachsten Mitteln – Groove, Druck, und “Dixie” Collins’ Gekeife – schafft es die Band aus North Carolina eine unglaublich dichte und intensive Stimmung zu erzeugen. An einigen Stellen entsteht vor der recht kleinen Stage ein erstaunlich großer Moshpit, an anderen werden die Köpfe im Takt genickt. Weedeater nehmen das Publikum so oder so in ihren Bann.
Ach darüber hinaus ist die SideStage größtenteils ein Genuss: Monolord zelebrieren dort ihre drückenden Doom-Riffs, Yuri Gagarin entführen das Publikum mit ihrem Space Rock in fremde Galaxien und Jex Thoth vertreiben mit ihrem okkulten Ritual und viel, viel Rächerwerk die Geister, die das fröhliche Happening stören wollen. Und ist ist die Stimmung auch durchweg gut und friedlich, ob nun vor der Bühne, beim Karaoke-Singen, der verlosten Schiffsfahrt auf der Spree oder beim Essen in der Sonne im Festival-Innenhof.
Das Desertfest als Szene-Get-Together
Apropos Essen! Eigentlich muss man es als Nachteil betrachten, dass das Desertfest nicht mehr direkt am Herzschlag von Friedrichshain mit all seiner kulinarischen Vielfältigkeit stattfindet. Die Veranstalter haben aber vorgesorgt. Diverse Foodtrucks sorgen im Innenraum des Arena-Geländes für volle Mägen: Ob Pizza direkt aus dem Steinofen, Burger oder Thai-Pfanne – im Grunde ist für jeden Geschmack etwas dabei, von Fleisch über vegetarisch bis vegan geht alles.
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Hier zeigt sich dann auch, wie nah sich die Bands noch an der Szene befinden. Da trifft man Elder – seit Jahren Stammgäste beim Desertfest Berlin – zum kurzen Schnack, Planet of Zeus am Bierwagen und Horisont mit einer halben Pizza pro Bandmitglied mit den Beinen über der Spree baumelnd. Hier ein Foto, da ein Autogramm, zu aufdringlich wird von den Besuchern aber niemand.
Ein musikalisches Highlight gibt es zum Abschluss auf der kleinen Bühne: Haik, quasi eine Berliner Supergroup um Dÿse-Gitarrist Andrej An3 Dietrich, Rotor-Pilot Tim Menzel, Ohrbooten/Alligatoah/Lexy-K & Paul-Drummer Onkel und Ruffcats-Basser Joh Weisgerber, spielen erstmals auf dem Festival. Die Band ist irgendwo zwischen Noise, Rock’n’Roll und Metal angesiedelt – der Dÿse-Spirit ist jedoch nicht von der Hand zu weisen. Und das Publikum goutiert es.
Danach, Sonntag um 1:30 Uhr, geht der Großteil mal biergeschwängert, mal einfach müde, aber in jedem Fall glücklich beseelt nach Hause. Das Desertfest war auch 2018 ein voller Erfolg. In einer neuen Location von null wieder anzufangen, ist nicht einfach. Werden die anfänglichen Soundprobleme im kommenden Jahr behoben, steht einer Fortsetzung des Spektakels nichts im Wege. Gern wieder!