Seit der Corona-Pandemie haben insbesondere kleinere Live-Events extrem mit Besucher*innen-Rückgang zu kämpfen. Dass nun gerade das gemütliche Appletree Garden in Diepholz Jahr für Jahr ausverkauft ist, mag auf den ersten Blick verwundern. Sieht man genauer hin, ist es eher das logische Ergebnis jahrelanger, mühevoller Arbeit.
Grundlage dafür waren und bleiben natürlich die fantastischen Bedingungen, die der Ort Diepholz den Festivalmacher*innen bietet. Das Festivalgelände, das mit den Jahren immer weiter ausgebaut wurde, erstrahlt jedes Jahr aufs Neue in wunderbaren Lichtern, was in Kombination mit der naturbelassenen Location eine angenehme Atmosphäre für Jung und Alt erschafft. Der Ausbau des Infields in Richtung des Tiefen Holzes hat das Appletree noch einmal aufgewertet, lädt es doch dazu ein, die Nächte zu elektronischen Beats zu feiern. Aber auch die restlichen Gegebenheiten sind wichtige Punkte des Erfolgsrezeptes Appletree Garden. Gerade die Infrastruktur vor Ort ist fantastisch. Die Anfahrt ist unter normalen Bedingungen entspannt per Regionalbahn zu schaffen, wer weiter entfernt wohnt, kann luxuriöser mit dem ICE reisen. Auch das lästige Mitschleppen von Getränken und Essen ist vollkommen unnötig, da Famila und Netto in Fußnähe zu erreichen sind. Zu guter Letzt sind die Sanitäranlagen als positives Beispiel hervorzuheben. Einerseits gab es fast immer saubere Wassertoiletten, zum anderen lädt das Freibad zur morgendlichen Dusche ein. Diese kann man natürlich auch auf dem Campingplatz haben, den Luxus einer Abkühlung, Freibad-Pommes und anschließender ausgiebiger Dusche will ich jedoch nie wieder missen. Erholter kann man auf einem Festival nicht in den Tag starten. Während der folgenden Minigolf-Partie mit dem einen oder anderen Bier und Hubertustropfen bereitet man sich auf die Konzerte des Tages vor, denn natürlich stehen diese auch in Diepholz im Mittelpunkt.
Wie erhofft bestätigten sich die Erwartungen, die die letzten Jahre hervorgerufen haben. Beim Appletree Garden ist für jeden etwas dabei, egal ob man nun komplett vorbereitet mit individualisiertem Timetable oder vollkommen frei von Plänen über das Festivalgelände flaniert. Neben der Vielfalt besticht das Festival wie gewohnt durch eine hohe Qualität bei den Performances. Schlechte Auftritte lassen sich in den letzten Jahren an wenigen Fingern abzählen. Umso trauriger, dass gerade der Indie-Hype Royel Otis für einige dazu zu zählen schien. Dafür verantwortlich war primär der Zustand des Gitarristen Royel, der ziemlich sediert war, wodurch der Auftritt für einige bestenfalls heruntergespielt wirkte. Für uns waren die Umstände jedoch gar nicht so schlimm, weshalb es ein schönes Konzert der Australier, gespickt mit vielen tanzbaren Hits, war.
Das zeigt mal wieder, dass die Wahrnehmung eines Auftritts nicht unerheblich von der eigenen Erwartungshaltung, der Stimmung oder dem Platz vor der Bühne abhängt. Letzteres war für uns jedoch wie immer kein Problem, da man bei allen Open-Air-Bühnen auch aus etwas weiterer Entfernung einen guten Blick, und viel wichtiger, einen guten Sound hat und somit nicht gezwungen ist, sich in die engeren Bereiche dicht vor der Bühne zu begeben. Außerdem ist es dadurch ganz problemlos möglich, kurz vor Beginn der Konzerte vor der Bühne aufzutauchen, was kurzfristige Entscheidungen für oder gegen die eine oder die andere Band erleichtert.
So füllte sich das Tiefe Holz bei BĘÃTFÓØT recht zügig, da die treibenden Drum-and-Bass-Beats etliche Leute vom restlichen Gelände ins Dickicht zogen. In Verbindung mit den eingängigen Pop-Melodien und dem sympathischen Auftreten lieferte das Duo den wahrscheinlich besten Auftritt des Festivals. Gerade die Interaktion mit dem Publikum und die teils abrupten Abbrüche in ihren Songs führten zu einer ekstatischen Stimmung bei den Besucher*innen und überzeugten auch Menschen, die mit der Band auf Platte nichts anfangen können. Ähnliches hörte man auch in Bezug auf La Femme. Zwar ist mir eigentlich unklar, wie man die Band auf Platte nicht mögen kann, aber spätestens live ziehen die Französ*innen alle in ihren Bann. Eingängiger, tanzbarer Pop mit elektronischen Elementen, auch darauf ist beim Appletree Garden Verlass. Und so füllte sich der Platz vor der Bühne am späten Freitagabend mit Leuten, die ihre Beine lockerten und sich beim Auftritt der Band auf die folgende Nacht vorbereiteten.
Das waren natürlich nur einige Auftritte von vielen. Über drei Tage hinweg wussten etliche Acts zu überzeugen: vom charismatischen Berq, über den fantastischen Indiepop von Rachel Chinouriri bis zum deutschen Indiehype Paula Carolina. Und selbstverständlich war mit The Vaccines auch für Freunde von klassischer Indiemusik etwas dabei. Während Royel Otis scheinbar für unterschiedliche Reaktionen sorgte, fiel die Meinung zu den Londonern klarer aus. Fast jede*r war von der Energie und Feierwütigkeit überzeugt, ob nun aus der nostalgischen Perspektive des Alt-Indiefans oder der des Appletree-Neulings, der von Vaccines außerhalb der Pandemie noch nie gehört hat.
Im Endeffekt wird diese Kombination aus einem toll organisierten Festival in einer wunderbaren Location, toller Umgebung mit Schwimmbad, Minigolfbahn und Supermärkten, einem wunderbaren Publikum und einem vielfältigen und guten Line-Up auch 2025 dazu führen, dass das Festival restlos ausverkauft sein wird. Wer nun Lust bekommen hat, sollte dem Appletree Garden auf Social Media folgen, oder hin und wieder in unserem Forum vorbeischauen, um den Vorverkauf, der traditionell im Dezember startet, nicht zu verpassen.
Noch mehr Fotos? Mehr findet ihr bald bei Allerorts.