Ein fester Bestandteil der Neuentdeckungen beim Immergut ist auch immer der Birkenhain. Die Bühne, früher noch in der Nähe des Eingangs des Festivalgeländes gelegen, ist heutzutage entgegen dem Namen nicht von Bäumen gesäumt, was hin und wieder zu Verwirrung führt. Im Gegenteil, gerade durch diese exponierte Stellung barg der Birkenhain immer wieder Sonnenbrandgefahr. Das war es aber auch mit Kritikpunkten, gut eingecremt und hydriert lässt sich die Nachmittagssonne bei Lesungen und Konzerten im Birkenhain ganz hervorragend genießen. Wie auch bei Quicche am Samstagnachmittag.

Es ist mal wieder ironisch, dass ich erst durch die halbe Bundesrepublik tingeln muss, um mich in die Musik eines Künstlers aus der Gegend zu verlieben. Zugegeben, wenn man hört, dass sich ein Paderborner Musiker nach Ostfriesland aufgemacht hat, um eine Platte aufzunehmen, steigen die Erwartungen erstmal noch nicht ins Unermessliche. Vergleiche mit der Musik von Bon Iver lassen jedoch aufhorchen und schon die ersten Klänge verrieten, dass gewisse Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen sind. Umso schöner, wenn man im Laufe des Konzertes merkt, wie vielfältig und eigenständig die Musik Marc Grünhäusers ist. Zwar scheint man sich bei den Projekten Bon Iver und Quicche ähnlichen Rüstzeugs zu bedienen, dennoch ist die Musik Quicches keine Kopie. Dafür sind ihre Stärken einfach zu herausragend. Mit seinem Gefühl für Melodien und dem Einsatz von Synthesizern, aber auch den experimentelleren Ansätzen schafft Grünhäuser ein ausgewogenes Verhältnis aus Eingängigkeit und Verkopftheit, die viele Musiker*innen dieses Genres vermissen lassen. Merke, man sollte sich nicht von ersten Eindrücken und Beschreibungen abschrecken lassen. Also sollte man in den nächsten Jahren vielleicht von Turnstile aus Bergisch-Gladbach oder Charli XCX aus dem Erzgebirge hören, lohnt es sich eventuell reinzuhören.
Solche Fehleinschätzungen gehören zum Musikfandasein dazu, wie vielleicht auch bei Nils Keppel. Diesen habe ich sogar bei unseren Tipps für das Festival genannt, dennoch wurde ich von seinem Liveauftritt absolut positiv überrascht. Auf Platte kann man, insbesondere bei den Hits, eher eine Nähe zu vielen hippen Neue neue deutsche Welle Acts herstellen, deren Stärken in den eingängigen Melodien, dem Fokus auf die Drums und den tiefen Vocals liegen. Nils Keppel zeigt live jedoch, dass er musikalisch weitaus vielseitiger und tiefergehend ist und sich auch klassischeren Gothik-Motiven bedient, nicht nur ausschließlich in Bezug auf die Instrumentierung, sondern auch in den Lyrics und beim Auftreten. Wer Ähnlichkeiten sucht, findet sie bei Acts wie Drangsal oder Genre-Helden wie The Cure.

Das waren nur drei Beispiele eines schönen und ausgewogenen Line-Ups, das sowohl für alte Hasen als auch Neulinge gleichermaßen viel zu bieten hatte. Während mein Herz eher für die kleineren Acts im Birkenhain Zelt schlug, legten viele Gespräche mit anderen nahe, dass die Highlights für jeden unterschiedlich waren. Ob man nostalgisch zu den Shout Out Louds träumte, mit Team Scheisse das Zelt zum kochen brachte, oder zu Erobique tanzte, das Immergut bot auch in diesem Jahr viele Möglichkeiten das Wochenende zu einem ganz besonderen zu machen. Und wer weiß, vielleicht landet eine solche Erinnerung im Festivalheftchen zum 50. Jubiläum des Immerguts, damit sich andere Festivalbesucher*innen beim Warten auf den ersten Act im Birkenhain daran erfreuen können.
Mehr Fotos findet ihr bald auf der Seite von Danilo Rößger.