Manchmal setzt so eine Pause ja neue Kräfte frei. Wie gut das funktionieren kann, haben The Gaslight Anthem bei ihrem Auftritt im Kölner Palladium Ende Juli gezeigt. Auch wenn sich die Jersey-Rock’n’Roller um Frontmann Brian Fallon eigentlich seit drei Jahren im unbefristeten Hiatus befinden, ist die Band nun für ein paar ausgewählte Shows zurückgekommen. Der Anlass war das zehnjährige Jubiläum ihres wohl stärksten Werkes: The 59‘ Sound.
Das Palladium ist wie bereits am Vorabend ausverkauft – und obwohl die Sommerhitze über dem Rhein zu kleben scheint und jedes laue Lüftchen unterbindet, ist die Stimmung von Beginn an großartig. Das hat auch seinen guten Grund, denn eigentlich spielten The Gaslight Anthem jedes Jahr in Deutschland, dem Markt, in dem sie ihre wohl größten kommerziellen Erfolge erzielt haben. Die vergangenen drei konzertlosen Jahre sind da beinahe schon als eine kleine Zäsur zu bewerten.
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Die Supportacts Matthew Ryan und Dave Hause fügen sich optimal ein. Insbesondere Letzterer hat sich durch Auftritte auf Festivals oder bei der Revival Tour – einer von Chuck Ragan ins Leben gerufenen Konzertreihe mit dem Ziel, US-amerikanische Folk Musik in ihrer traditionellen Weise darzubieten – in Deutschland bereits einen Namen gemacht. Dies zeigt sich auch heute, denn das Publikum ist bei Songs wie Bury Me In Philly oder Time Will Tell überaus textsicher. Die Musik der beiden Amerikaner, rock’n’rollige Singer-Songwriter-Stücke mit – natürlich – Springsteen- oder Petty-Flair, dient als idealer Einheizer. Um Punkt 21:30 Uhr sind die rund 4.000 Anwesenden bereit.
The ’59 Sound – ein zeitloses Meisterwerk
The Gaslight Anthem kommen ohne viel Trara auf die Bühne und fangen an zu spielen: Handwritten, Wherefore Art Thou, Elvis? – die Leute sind von Beginn an dabei, singen und tanzen. Den emotionalen Höhepunkt gibt es bereits ganz früh im Set: Ab dem fünften Song spielt das Quartett ihr Meisterwerk The 59‘ Sound am Stück herunter. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gibt es dann auch kein Halten mehr: Die Zuschauer strömen aus allen Ecken des Palladiums in die Mitte, wo sich ein singendes und springendes Knäuel bildet.
Mag man sich zur Tourankündigung noch gefragt haben, ob die Band etwas von ihrer sympathischen Ausstrahlung und ihrer Energie verloren habe, zerstreuen sich diese Gedanken sehr schnell.Die klare Antwort lautet: Auf keinen Fall. Viel mehr ist die Spielfreude quasi greifbar und wirkt sich entsprechend auf die den 59er Sound feiernde Menge aus. Ob wilder Tanz beim Titeltrack, andächtiges Schwelgen bei der Tom-Petty-Homage Even Cowgirls Get the Blues oder die großen Emotionen bei Here’s Looking at You, Kid – dieses Konzert, dieses Album kann alles.
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Zwischendurch vergisst Brian Fallon, am Vorabend laut anderen Besuchern überwiegend still, dann sogar vor lauter Gerede fast schon, dass er eigentlich noch Songs spielen möchte. Man habe ja sowieso den ganzen Abend Zeit. Fallon gibt witzige Anekdoten zum Besten, schäkert mit dem Publikum, verspricht einer schwangeren Anhängerin auf dem Balkon freie Verpflegung für den Rest des Abends und spielt dem Lichttechniker Streiche. Auch dahingehend fällt auf: Die Pause scheint der Band gut getan zu haben. Nach den vielen Touren wirkten The Gaslight Anthem 2014 und 2015 eher müde. Davon ist an diesem Abend überhaupt nichts zu spüren.
The Gaslight Anthem? Hoffentlich bald wieder öfter auf Tour
Nachdem das The 59’ Sound-Set mit The Backseat endet, folgt ein Best of des Bandkatalogs. Überraschend: Mit Underneath the Ground schafft es nur ein Song des letzten Albums Get Hurt ins Set. Das Debüt Sink or Swim ist hingegen, sehr zur Freude des Autoren, mit Boomboxes and Dictionaries, Drive und We’re Getting a Divorce, You Keep the Diner gleich dreifach vertreten. Im Grunde fehlt es nur an Fallons vielleicht persönlichsten Song, Blue Jeans & White T-Shirts oder einem der eher selten gespielten Schmankerl wie Red at Night.
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Nach diesem Auftritt von The Gaslight Anthem wäre diese Kritik aber wie die berüchtigte Suche nach dem Haar in der Suppe. Was nach Ende der Show, die starke 27 Songs umfasst und in dem gemeinsam mit Dave Hause gespielten American Slang gipfelt, bleibt, sind ein ziemlich durchgeschwitztes Shirt, wunderbare Erinnerungen und die Hoffnung, dass die Band bald wieder regelmäßiger auf Tour geht.
MSo