30.05.2018: Car Seat Headrest in Hamburg (Uebel & Gefährlich)

Im wärmsten Mai seit Beginn der Wetteraufzeichnung muss der eine oder andere sich erst einmal überwinden, in Hamburg nicht den Elbstrand oder nächstgelegenen Park, sondern das Uebel & Gefährlich aufzusuchen. Dennoch sollten die Zuschauer im drückend heißen Obergeschoss des ehemaligen Flakbunkers voll auf ihre Kosten kommen. Mit Car Seat Headrest gastiert an diesem Abend ein wahrer Überflieger der Indie-Rock-Szene.

Die Band um Will Toledo ist spätestens seit ihrem von Kritikern und Feuilleton mit Lob überhäuften Album Teens of Denial, das auch im Festival-Community-Jahresranking 2016 ganz vorne landete, bei der breiten Masse angekommen: In nur zwei Jahren spielten sich die Jungs vom Molotow über das Knust hoch ins Uebel & Gefährlich. Dass der hintere Teil des Saals an diesem Abend abgehangen ist, schmälert den Erfolg der Band nicht und macht die klimatischen Bedingungen ein bisschen angenehmer.

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Den Beginn machen Naked Giants, deren Mitglieder alle Teil der aktuellen Besetzung von Car Seat Headrest sind. Der gitarrenlastige Sound der drei aus Seattle stammenden Musiker erinnert sehr an Bands wie Ty Segall. Die Jungs geben von vorneherein Gas als hätten sie nach diesem Gig bereits Feierabend – sehr zur Freude der bereits anwesenden Zuschauer. Schon auf der letztjährigen Tour wurde mit der britischen Band Traams eine Vorband ausgewählt, die musikalisch zu überzeugen wusste und ihrem Job mit sehr viel Hingabe nachging. So auch heute: Naked Giants erzeugen den perfekten Rahmen für den weiteren Abend. Das in diesem Jahr erschienene Debütalbum SLUFF ist eine klare Empfehlung!

Gründer und Mastermind von Car Seat Headrest, Will Toledo (Foto: Thorsten Friedrich)
Gründer und Mastermind von Car Seat Headrest, Will Toledo (Foto: Thorsten Friedrich)

Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch? Von wegen!

Car Seat Headrest beginnen ihr Set mit dem Lou-Reed-Cover Waves of Fear. Dem ruhigen Start folgen mit Bodys und Fill in the Blank zwei dem Publikum wohlbekannte Songs. Das aktuelle Album Twin Fantasy ist eine Neuauflage des bereits 2011 veröffentlichten, gleichnamigen Werks. Obwohl es sich um die identische Liedauswahl handelt, ist Twin Fantasy (Face to Face) (in Abgrenzung zur vorherigen Version, welche mit dem Zusatz (Mirror to Mirror) versehen wurde) keineswegs bloß eine Wiederauflage des bisherigen Materials. Viel mehr präsentiert es sich als selbstständiges Album, welches sich durch seine ganz eigene Stimmung vom Vorgänger abhebt.

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Die Songs im neuen Gewand haben den Lo-Fi-Sound des jungen Will Toledo abgelegt. Glatt geschliffen wirken sie jedoch keineswegs, vielmehr offenbart sich ein neuer Zugang zum gesamten Album. Auch in der der Bandformation gab es erhebliche Umstellungen. Die Zusammensetzung nimmt die Bühne besser ein und wirkt lebendiger sowie präsenter, was nicht nur der auf sechs erhöhten Mitgliederzahl geschuldet ist. Ebenso neu ist, dass Will Toledo bei der Mehrzahl der Songs nicht Gitarre spielt, sondern sich ganz auf den Gesang konzentriert. Die Setlist enthält neben den Hits von Teens of Denial auch die älteren Songs Maud Gone und America (Never Been). Für Car Seat Headrest schon beinahe ungewöhnlich: An diesem Abend bleibt es bei nur einem Coversong.

In neuer Zusammensetzung verzichtet Will Toledo oftmals auf die Gitarre (Foto: Thorsten Friedrich)
In neuer Zusammensetzung verzichtet Will Toledo oftmals auf die Gitarre (Foto: Thorsten Friedrich)

Den Abschluss des Konzerts sollte ursprünglich Beach Life-in-Death bilden. Da das Publikum zuvor das Anspielen des Songs Vincent frenetisch bejubelte, gibt sich Will Toledo ganz als Mann des Volkes und lässt kurzerhand abstimmen. Teile der Band sind noch nicht sonderlich vertraut mit diesem Song, da er auf der Tour nicht im Programm stand. Das Publikum hätte sich wohl für beide Songs entschieden, wenn diese Option zur Wahl gestanden hätte. Trotzdem quittieren die Besucher den Auftritt mit minutenlangem Beifall.

Am Ende steht ohne Zweifel fest: Es war die einzig richtige Entscheidung, den dunklen, stickigen Bunker einem Sommerabend im Gartenstuhl vorzuziehen.

TFr