Ein seltenes Ereignis sucht Hamburg im April 2019 heim. Für das Kozert der Kanadischen Pop-Punk Band PUP ist es selbst für erfahrene Konzertbesucher*innen unmöglich noch an Tickets zu kommen. Ausverkauft ist natürlich keine Seltenheit, dass aber selbst kurzfristig keine Karten mehr zu bekommen sind, kommt selbst bei den größten Stars eigentlich nie vor. Die Kanadier dagegen schaffen das. Jede überzählige Karte wird den Verkäufer*innen aus den Händen gerissen.
Alle, die kein Glück hatten und bei der Show im Hafenklang draußen bleiben mussten, alle die da waren aber nicht genug bekommen und alle, die die Band erst seitdem entdeckt haben, haben jetzt eine zweite Chance. Ein gutes halbes Jahr später spielen PUP im fast doppelt so großen Knust. Platz für alle gibt es dieses Mal, der Club ist zwar gut gefüllt aber nicht ganz ausverkauft. Die Altersspanne reicht von 15 bis 55, augenscheinlich sind sogar ganze Familien gekommen.
Opening Sløt
Als Support ist die norwegische Pop-Punk Band Sløtface dabei, einigen Besucher*innen möglicherweise aus der Netflix Serie Sex Education bekannt. Ob man sie kennt oder nicht, spielt aber eigentlich eine untergeordnete Rolle. Denn ihr Sound passt wie die Faust aufs Auge in den Abend. Nach anfänglichen Technikproblemen hat das Quartett die Lage schnell im Griff. Für viele in den ersten Reihen scheinen die Norweger ein gutes Argument für den Ticketkauf gewesen zu sein, für einige möglicherweise sogar der Hauptgrund des Erscheinens. Es bilden sich erste Moshpits, die Bandmitglieder wechseln sich im Stagediven ab. Es war schon weniger los bei Vorbands.
PUP bauen ihr Set selbstverständlich um das aktuelle Album Morbid Stuff auf. Neue und alte Songs halten sich in etwa die Waage, gehen aber sowieso nahtlos ineinander über. Die Geschwindigkeit bleibt konstant hoch, Verschnaufpausen gönnt sich die Band kaum. Bis auf das Brand-New-Gedächtnis Intro von Scorpion Hill und einen Spendenaufruf für Sea Watch flirren die Gitarren ununterbrochen. Das Publikum nimmt die Energie dankend an, quasi pausenlos segeln Stagediver über die Bühne. Von behäbiger Sonntagabendstimmung keine Spur.
“We started at the bottom, now we still suck but less”, kündigt Frontman Stefan Babcock Dark Days an, einen der älteren und der wenigen Songs von der ersten Platte, die die Band nach eigener Aussage nicht hasst. Doch selbst, wenn PUP alle Songs von ihrem Debüt aus dem Set streichen würden, es wäre immer noch genug erstklassiges Material vorhanden. Gegen Ende bringt das Dreiergespann aus Reservoir, Full Blown Meltdown und dem Überhit If This Tour Doesn’t Kill You, I Will auch die allerletzten Menschen in Bewegung, Babcock selbst stagedived jetzt einmal quer durch den Raum. Zugaben gibt es nicht, die findet die Band zu Recht scheiße. Aber bis in die hinteren Reihen sind inzwischen sowieso alle verschwitzt und glücklich.
PUP-Punks not dead
Das Interessanteste an dieser Band ist vielleicht ihre unprätentiöse Attitüde. Schnörkelloser Pop-Punk ohne große Gesten, aber mit jeder Menge Spaß an der Musik, tut einem Genre gut, das sonst oft von übertriebener Performance und Darstellung lebt. PUP machen das anders. Sie spielen 15 Songs in einer Stunde ohne verkrampfte Ansagen oder alberne Spielchen mit dem Publikum. Wenn Babcock die Besucherin in der ersten Reihe zelebriert, die sich beim vorabendlichen Konzert in Kopenhagen die Hand gebrochen hat und trotzdem wieder in der ersten Reihe steht, ist die Dankbarkeit für so viel Hingabe zu seiner Band vollkommen ehrlich. Die Kanadier zählen nicht nur den zur Zeit vielleicht besten Pop-Punk Bands, die es gibt, sie werfen auch alles über Bord, was das Genre sonst so anstrengend für Fans jenseits der 20 macht. PUP-Konzerte machen einfach Spaß. Und das ist am Ende des Tages ja das, wofür die meisten Menschen auf Konzerte gehen.