Rocken am Brocken 2019: Es bebt der Fichtenwald

Elend bei Sorge im Oberharz. Was bei den meisten Menschen Assoziationen von altbackenen Landgasthöfen, motivierten Wandernden, Landflucht und Nadelholzwäldern hervorruft, bedeutet für den kundigen Musikenthusiasten: Festival! Vom 1. bis zum 3. August 2019 fungierte eine kleine Grünfläche am Rande der Bundesstraße 27 wieder als Veranstaltungsort des Rocken am Brocken Festivals.

Das Festival, das dieses Jahr in die 13. Runde ging, erfreut sich inzwischen längst über die Grenzen der Region hinaus großer Beliebtheit, wie sich mit einem Blick auf die Kennzeichnen der anreisenden Autos feststellen lässt. Wie so viele andere Besucherinnen und Besucher sind auch wir Wiederholungstäter und waren bestimmt – so viel sei bereits vorweggenommen – nicht zum letzten Mal dabei.

Eingang zum Festivalgelände
(Fast) jährlich in neuem Gewand: Der Eingang zum Festivalgelände (Foto: Thorsten Friedrich)

Das Festival ist geprägt von seiner gemütlichen Atmosphäre, die bereits mit der Anreise beginnt: Eine gute Organisation, kurze Wege und ausreichend Campingflächen sorgen dafür, dass das erste hopfenhaltige Dosengetränk nach erfolgtem Aufbau alsbald geöffnet werden kann. Beim Studieren des Timetables wird schnell klar, dass das Line-Up lange nicht mehr so hochkarätig und vielseitig war.

Ein Festivalauftakt nach Maß

Zunächst lassen sich dort mit Frittenbude und Bonaparte zwei echte Dauerbrenner der deutschen Festivallandschaft wiederfinden; und auch die Leoniden sowie Giant Rooks sind mittlerweile keine unbekannten Gesichter mehr. Letztgenannte beweisen mit ihrem Auftritt am Donnerstagabend, warum sie bereits Konzert-Venues mit vierstelligen Zuschauerzahlen ausverkaufen, während Fans weiterhin auf das erste Album warten und sich auch in diesem Jahr mit einer, wenn auch sehr gelungenen, EP begnügen müssen.

Bühne bei Nacht
Die Hauptbühne während des Konzerts der Leoniden (Foto: Thorsten Friedrich)

Der internationale Besuch wird an diesem Festivaltag von Barns Courtney und seiner Band angeführt. Dessen Radiohits wie „Glitter & Gold“ oder „Fire“ passen perfekt zum Sonnenschein des Nachmittags. Trotz einer einwandfreien musikalischen Darbietung bleibt uns in erster Linie ein sehr Rockstarallüren-behafteter Auftritt in Erinnerung. Erfrischend ehrlich kommen dagegen Cassia auf der zweiten Bühne des Festivals, dem Jägerzirkus, daher. Die Briten sind mit sichtlich Spielfreude dabei und müssen nach ihrer freudigen Ankündigung „We’ve got two more songs for you“ durch wilde Gestiken seitens des Stage-Managements zur Kentnnis nehmen, dass sie die Zeit ihres Slots bereits ausgereizt haben. Fans von Calypso-Beats und der Leichtigkeit des Sounds von Bombay Bicycle Club sei ihr Debütalbum „Replica“ wärmstens empfohlen. Nicht zuletzt aufgrund der stimmlichen Nähe zu Ezra Koenig drängen sich hier auch Vergleiche zu den früheren Stücken von Vampire Weekend auf.

Am späten Abend zeigen zudem Querbeat mit ihrem Brasspop, dass Karnevalsmusik auch außerhalb des Rheinlands großen Anklang findet. Im Anschluss steht an diesem Abend Yetti Meissner an den Turntables und lässt die die Tanzfläche umringenden Baumwipfel zu ihren Beats tanzen.

Bühne
Dirrty Dishes an den Turntables im Zauberwald (Foto: Thorsten Friedrich)

Abwechslung in jeder Hinsicht

Der darauffolgende Tag bietet ein nicht minder gemischtes Programm. Mit der Ankündigung von The Adicts als einen der Hauptacts hat man im Vorfeld für einige Überraschung gesorgt. Die Alt-Punker aus Ipswich kommen direkt nach ihrem Auftritt beim Wacken Open Air in den Harz. Ihre Show bietet ungewöhnliche Bühnenoutfits und Pogo zu Punkrock-Gassenhauern wie „Viva la Revolution“. Im Anschluss geht es für uns zum Kontrastprogramm im Zauberwald, der größeren der beiden Elektro-Bühnen. Dirrty Dishes steht am DJ-Pult, das sich im Maul eines Wolfs befindet. Die meterhohe Holzkonstruktion, in Eigenregie gebastelt und mit entsprechender Lichtshow untermauert, zieht auch das nicht-Elektro-affine Publikum in seinen Bann. Ein Festival dieses Formats lädt eben auch für Entdeckungen abseits der persönlichen Lieblingsgenres ein.

Bühne mit Zuschauern
Bevor sich die Hexenhütte des Nachts zum Dancefloor verwandelt spielen hier Singer-Songwriter
(Foto: Rocken am Brocken Festival)

Leider präsentiert sich zuvor auch das Wetter am Brocken in abwechslungsreicher Laune: Gegen Freitagmittag entladen sich starke Regenschauer und Gewitter, die den Campingplatz unter Wasser setzen. Der Laune tut das Unwetter indes keinen Abbruch. Durch die Trockenheit der zurückliegenden Wochen ist die Wasserschlacht nur von kurzer Dauer und die abendlichen Konzerte können bereits wieder ohne Gummistiefel betanzt werden. Die sengende Hitze der letztjährigen Festivalausgabe wünscht sich ohnehin kaum jemand zurück. 2018 waren die Vorkehrungen auf Grund der Waldbrandgefahr allgegenwärtig und der Wald im Harz, das konnte man auf der Hinfahrt deutlich erkennen, hat von den Folgen der Dürre immer noch zu zehren.

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