Rocken am Brocken 2017: Ich bin komplett im Harz

Der ein oder andere Motorradfahrer und Tourist mag auch in diesem Jahr von der kleinen Zeltstadt, die sich unmittelbar neben einer kurvigen Landstraße im Oberharz erstreckt, überrascht worden sein. Andere hingegen steuern zielbewusst die kleine Grünfläche am Rande des Fichtenwaldes an, welche vom 3. bis 5. August 2017 wieder Schauplatz des Rocken am Brocken Festivals war.

Das Festival zeichnet sich insbesondere durch seine entspannte Atmosphäre aus. Die Verbundenheit mit der Region hat hier einen besonderen Stellenwert. Da das Areal in einem Naturschutzgebiet liegt, ist Rücksichtnahme auf die Umwelt von entsprechend hoher Bedeutung. Neben dem musikalischen Programm auf drei Bühnen und zwei DJ-Floors stehen diverse Workshops sowie jeweils ein Volleyball- und Fußballturnier auf dem Programm.

Eingang zum Festivalgelände bei Nacht (Foto: Thorsten Friedrich)
Eingang zum Festivalgelände bei Nacht (Foto: Thorsten Friedrich)

Nach unserer Premiere im letzten Jahr hat sich die Gruppe durch unsere enthusiastischen Berichte von zwei auf elf Leute vergrößert. Die kurzen Wege zwischen Auto, Zelt und Gelände erleichtern den Anreisetag enorm, wodurch es schon früh mit Musik losgehen kann. Zunächst geht es für uns in die Zeltbühne mit dem Namen Jägerzirkus, welche die zweitgrößte Bühne des Festivals ist. Überschneidungen mit der großen Open Air Bühne gibt es nicht, da beide stets abwechselnd bespielt werden. BRETT bringen das Publikum im Zelt mit ihrem Neo-Kraut-Rock bereits gut ins Schwitzen; ebenso wie die Jungs von Mother’s Cake. Zudem gibt es Musik von Razz und Bosse. Wer Bosse bisher nur mit gefühlvollen Songs, die aus dem Radio als Hintergrundbeschallung daherkommen, wahrgenommen hat, der wird schnell eines Besseren belehrt. Energiegeladen und sympathisch präsentiert sich der erste Headliner des Festivals.

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Zu später Stunde spulen die Lokalmatadore von Schluck den Druck ihr Programm ab, welches dem des Vorjahres (inkl. langatmiger Ansagen) nahezu 1:1 gleicht. Für den an diesem Abend mit Oliver Koletzki hochkarätig besetzten Elektro-Floor Zauberwald reichen die Kräfte leider nicht mehr.

Nachmittags eher sporadisch besucht: Der Elektro-Floor namens Zauberwald (Foto: Thorsten Friedrich)
Nachmittags eher sporadisch besucht: Der Elektro-Floor namens Zauberwald (Foto: Thorsten Friedrich)

Tag 2: Auf Hochwasser folgt Sonnenschein

Während Teile des Harzes vor nicht einmal zwei Wochen noch mit schweren Überschwemmungen zu kämpfen hatten, ist der Wettergott sichtlich um Wiedergutmachung bemüht. Pohlmanns Musik lädt nach einigen Runden Flunkyball perfekt dazu ein, bei Sonnenschein auf der Wiese zu liegen und zu dösen. Außerdem gibt es Auftritte von den Leoniden, Milliarden und Adam Angst. Letzterer freut sich über diese schöne „Zeckenveranstaltung“ in Anspielung auf die politische Ausrichtung zahlreicher Acts. Seine Ansagen sollten bei weitem nicht das einzige Statement gegen Nazis, Rassismus und Diskriminierung an diesem Wochenende beim Rocken am Brocken bleiben.

Pohlmann mit der zum Wetter passenden Musik (Foto: Thorsten Friedrich)
Pohlmann mit der zum Wetter passenden Musik (Foto: Thorsten Friedrich)

Zwischendurch verirren wir uns auf einen der DJ-Floors, den Acrobatic Colours in die reinste Russendisko verwandeln: Elektronische Musik mit starken russischen Einflüssen, teilweise auch gepaart mit Polka- und Gypsybeats, wird hier zum Besten gegeben. Leicht verstört sehen wir Typen, die Uniformen der Sowjetarmee tragen und eine purpurne Lenin-Flagge aus Samt schwenken. Der DJ kündigt an, dass es allein dem Interpreten des nächsten Lieds zu verdanken sei, dass sie hier heute spielen dürften. Es folgt „I’ve been looking for Freedom“ von David Hasselhoff. Die Menge johlt und tanzt – wir mittendrin.

Pyro während des Konzerts von Feine Sahne Fischfilet (Foto: Thorsten Friedrich)
Pyro während des Konzerts von Feine Sahne Fischfilet (Foto: Thorsten Friedrich)

Als krachender Tagesabschluss betreten Feine Sahne Fischfilet die Hauptbühne. Das Publikum dreht durch, die Band nicht minder weniger. Pyrotechnik kommt sowohl auf der Bühne, als auch im Publikum massig zum Einsatz. Möglich ist dies nicht zuletzt durch die hervorragende Rocken am Brocken-Security, welche sich – wie schon im Vorjahr – ein Extralob verdient hat. Die Männer und Frauen verstehen ihr Handwerk. Sie wissen bestens mit dem Festivalpublikum umzugehen, suchen den Dialog und wirken dabei in zahlreichen Situationen sehr deeskalierend.

Campingplatzkonzerte sind hier keine Seltenheit (Foto: Thorsten Friedrich)
Campingplatzkonzerte sind hier keine Seltenheit (Foto: Thorsten Friedrich)

Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist…

Samstagmorgen. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass der schlimmste anzunehmende Fall einzutreten droht: Das Bier geht zur Neige. Zunächst steht allerdings der Spaziergang zum Waldbad in Elend an. Dort befindet sich die einzige Duschmöglichkeit des Festivals. Kaum abgetrocknet, gibt es den einzigen ernstzunehmenden Regen beim Rocken am Brocken. In der Waldbadschenke lässt sich dieser bei einem Bier jedoch aushalten.

Improvisierte Grillzange – es ist immer gut, Ingenieure im Camp zu haben. (Foto: Thorsten Friedrich)
Improvisierte Grillzange – es ist immer gut, Ingenieure im Camp zu haben. (Foto: Thorsten Friedrich)

Pünktlich zu Beginn des Musikprogramms kommt dann auch die Sonne wieder heraus. Jake Isaac präsentiert sich spielfreudig und gut gelaunt. Tatsächlich fragt man sich, warum ein Singer-Songwriter mit einer solch starken Stimme und überzeugenden Livequalitäten noch nicht den Durchbruch geschafft hat. Es folgen der Auftritt von Roosevelt und ein Abstecher zur im Wald gelegenen Bühne namens Klangnest. Singer-Songwriter und kleine Bands dürfen hier ran, während das Publikum auf verschiedenen Sitzmöglichkeiten aus Holz lauscht.

Rocken am Brocken: Das Klangnest (Foto: Thorsten Friedrich)
Das Klangnest (Foto: Thorsten Friedrich)

Die Bierknappheit konnte mithilfe der Zeltnachbarn inzwischen beseitigt werden. Infolgedessen verpasst ein Großteil des Camps allerdings die Auftritte von Drangsal und Gurr. Den Abschluss des Festivals bilden schließlich Irie Révoltés, die auf ihrer Abschiedstour nochmal alles abrufen.

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Insgesamt war es ein schönes Wochenende mit tollen Menschen und guten Auftritten bei bestem Festival-Wetter. Obwohl die Spitze des Line-Ups gerade im Vergleich zur Jubiläumsausgabe im Vorjahr einen Überhang an nationalen Künstlern hatte, war es dennoch abwechslungsreich. Unabhängige, kleine Festivals haben es nicht immer leicht sich auf dem Booking-Markt gegen die Großen zu behaupten. Zu sehen und zu entdecken gibt es trotzdem genug. Das Rocken am Brocken lebt von seiner Atmosphäre und die war wieder wunderbar familiär und entspannt.

Fest steht: Wir kommen wieder. Das Rocken am Brocken ist Herzensangelegenheit geworden.

TFr